Auf den Spuren von Jamie Fraser
Schottland - Mai 2022
Ich. In. Einem. Reisebus.
Mit Menschen, die Jamie Fraser anhimmeln, als wäre er real – und Whisky trinken, als wär’s Medizin.
Was sollte da schon schiefgehen?
Eine Reise durch Schottland mit ganz viel Charme, etwas Serienwahnsinn und der klaren Erkenntnis:
Die Highlands liebt man. Den Reisebus … vielleicht nicht.
Jamie Fraser, Dudelsäcke und ein Bus voller Serienfans. Ich mittendrin.
Ich wusste sofort: Das wird entweder genial – oder völlig daneben. Schottland stand schon lange auf meiner Bucket List, und als ich auf Facebook sah, dass eine Frau eine Mitreisende für eine Busrundreise zu den Drehorten von Outlander suchte, zögerte ich nicht lange. Busrundreise? Eigentlich überhaupt nicht mein Ding. Aber Dagmar und ich verstanden uns sofort – und ich war bereit, es zu wagen.
Ich stieg in diesen Bus – mit einer Mischung aus Neugier, Zweifel und leiser Vorfreude auf ein Land, das ich bis dahin nur aus Geschichten kannte.
Zwei Tage Edinburgh – Dudelsäcke, Druckerei & Whiskywürgen
Bevor die Tour offiziell begann, gönnten wir uns zwei Tage in Edinburgh.
Die Stadt war ein völliger Kontrast zu meinen vorherigen Reisen in den Orient: kein Gewusel, keine Händler, keine schrillen Farben. Stattdessen: Kopfsteinpflaster, Dudelsäcke – und eine seltsame Sprachmelodie, die sich fast wie Arabisch anhörte: Gälisch.
Natürlich suchten wir gleich die Treppe zu Jamies Druckerei auf der Royal Mile, und beim ersten Dudelsackspieler an der Ecke hatten wir sofort das passende Schottland-Feeling.
Ein Pflichtbesuch im Hard Rock Café? Logo. Und weil wir schon mal in Schottland waren, stand auch eine
Whiskyverkostung auf dem Programm.
Dagmar schwärmte bei jedem Glas. Ich kämpfte tapfer gegen den Würgereiz– und reichte jedes Dram mit stoischem Blick weiter. Fazit: Der Whisky ist hier genauso schrecklich wie zu Hause, nur
doppelt teuer.
Und obwohl mir der Whisky nicht schmeckte, hatte ich schon jetzt das Gefühl, dass Schottland irgendwie zu mir passt.
Kennenlernabend – Outlander-Fans und andere Naturkatastrophen
Nach zwei Tagen Edinburgh zogen wir um ins Hotel, wo am Abend das erste gemeinsame Essen mit unserer Reisegruppe stattfinden sollte.
Ich war gespannt – auf die Leute, auf die Stimmung … und vor allem: Wie viele würden sich als Hardcore-Fans outen, die Jamie Fraser lieber heute als morgen heiraten würden?
Die Antwort: Einige.
Immerhin – wir hatten Glück am Tisch. Uns gegenüber saß ein sympathisches Ehepaar, mit dem wir uns sofort gut verstanden. Es wurde ein entspannter, witziger Abend mit reichlich Outlander-Talk und ersten Theorien, was uns die nächsten Tage erwarten würde.
Doch dann: Er.
Ich hatte ihn schon beim Reingehen bemerkt – der Typ mit dem „Ich-bin-der-Mittelpunkt-des-Universums“-Blick. Spätestens nach dem dritten überheblichen Monolog hätte ich ihn am liebsten direkt
während der Fahrt aus dem Bus katapultiert.
Und als wäre das nicht
genug:
Die Reiseleiterin verkündete, dass Lallybroch gestrichen sei – wegen Dreharbeiten zur 7. Staffel.
Ein kollektives Aufstöhnen ging durch den Raum. Für viele war das DER Sehnsuchtsort schlechthin.
Ich war enttäuscht – aber nicht überrascht. Willkommen bei Drehorten & Drama.
Die Runde war bunt, die Gespräche laut – und irgendwo dazwischen fragte ich mich zum ersten Mal, ob mein Platz im Bus auch mein Platz auf dieser Reise war.
Auf den Spuren von Jamie – Drehorte & Dauerfotomodus
Früh am Morgen hieß es: Alle Mann in den Bus!
Das Motto der Reise war klar: Kamera raus, Serienwissen an – und los geht’s.
Den ersten Stopp kannten Dagmar und ich schon: die Royal Mile mit der berühmten Druckerei. Wir waren froh, dass wir zuvor diesen Ort alleine geiessen konnten.
Unsere Reiseleiterin hatte ein gutes Händchen – sie zeigte uns auch weniger bekannte Locations, die wir allein nie gefunden hätten. Oft hatte sie Szenenfotos parat, um die Kulisse mit der Serie abzugleichen. Faszinierend – und manchmal auch ernüchternd, wie viel in der Serie dazugezaubert wurde.
Edinburgh Castle war natürlich ein Highlight – wenn auch mit Touristenquote 3000+. Trotzdem beeindruckend, besonders wenn man sich ein bisschen abseits der Massen halten konnte.
Bei Preston Mill, der Wassermühle aus der berühmten Szene mit Jamie, stiegen die Fangirl-Pegel merklich. Ich sage nur: Hemdlos, nass, Mühle.
Dagegen wirkte das nächste Ziel – Ardsmuir Prison – eher trostlos. Kein Wunder, dass Jamie da möglichst schnell rauswollte.
Und dann kam Culross – das schottische Serien-Multitalent.
Kräutergarten, Geillis’ Hexenhaus, Jakobiten-Treffpunkt, Streit mit Laoghaire – gefühlt jede zweite Szene wurde hier gedreht. Man konnte sich wunderbar treiben lassen und plötzlich hatte man das
Gefühl, Claire könnte gleich um die Ecke biegen.
Der Besuch von Aberdour Castle, dem Serien-Kloster, war besonders stimmungsvoll. Auch ohne Mönche.
Und in Falkland, dem „Inverness der Serie“, waren es die kleinen Details – ein Schild, ein Fensterladen – die Serienfans ins Schwärmen
brachten.
Manchmal war es Magie, manchmal Massenabfertigung – aber Schottland zeigte sich bei jedem Stopp von einer neuen, filmreifen Seite.
Hopetoun House bis Tibbermore – Intrigen, Kirchen und ziemlich viel Blut
Hopetoun House – majestätisch, elegant, adlig. Und gleichzeitig einer der multifunktionalsten Outlander-Drehorte überhaupt:
Maison Elise, Helwater, Ellesmere, Residenz von Sandringham – alles derselbe Prachtbau. Ohne Führung hätte ich wahrscheinlich kein einziges Zimmer erkannt. Und das Beste: Man darf ihn nur mit
Guide betreten – ein seltener Vorteil der Gruppenreise.
Nächster Stopp: Fort William – oder besser gesagt, der Drehort davon. Kaum jemand sprach es laut aus, aber jeder wusste, was Black Jack Randall Jamie hier angetan hatte. Man merkte, wie die Stimmung im Bus kurzzeitig kippte. Kein Wunder – an manchen Orten schwingt das Grauen der Serie irgendwie mit.
Callendar House war da fast schon entspannend. Hier befindet sich die Küche, in der Sandringham (man erinnere sich: Murtagh, Schwert, zack – Kopf ab) das Serienende fand. Der Park drumherum war weitläufig, grün – und der perfekte Ort, um ein bisschen durchzuatmen.
In der Tibbermore Church wurde’s wieder düster.
Hier fand der Hexenprozess von Claire und Geillis statt. Die Kirche war leer, kühl – und gleichzeitig irgendwie aufgeladen.
Wir standen da, zeigten uns gegenseitig unsere alten Pockenimpfungsnarben (Fanritual!) und versuchten uns vorzustellen, wie es gewesen sein muss, in so einem Gebäude als Frau der Hexerei
beschuldigt zu werden.
Auf dem angrenzenden Friedhof wurde die Stimmung fast wieder feierlich. Ein paar Fotos mit verwitterten Grabsteinen, ein bisschen mystisches Gekicher – und weiter ging’s.
Manche Orte flüsterten Geschichte – andere schrien Serien-Drama. Und zwischendurch schlich sich immer wieder dieser seltsame Gedanke ein: Was, wenn die Steine doch ein Portal wären?
Tullibardine Chapel, Versailles-Garten & das große Schlachtfeld von Culloden
Tullibardine Chapel – klein, steinern, unscheinbar. Und genau der Ort, an dem Claire sich in der Serie als Jamie Gefangene ausgibt.
Man spürte sofort: Hier wurde nicht einfach nur „irgendwo“ gedreht. Das war Atmosphäre pur. Zwischen den kühlen Mauern hätte man sich nicht gewundert, wenn plötzlich die Tür aufgerissen und ein
Haufen Highlander reingestürmt wäre.
Der nächste Drehort ließ uns staunen: Drummond Castle Gardens, besser bekannt als die Gärten von Versailles in der Serie.
Perfekt gestutzte Hecken, symmetrische Wege, blühende Rabatten – fast zu schön, um echt zu sein. Ein krasser Kontrast zum rauen, moosigen Rest Schottlands.
Dann kam Culloden – und mit ihm eine spürbare Stille im Bus.
Was vorher Spiel und Serie war, wurde hier zur Realität.
Die Schlacht war kein Drehbuch, kein Set. Sie hatte wirklich stattgefunden.
Wir liefen über das Feld, auf dem tausende Highlander gefallen waren. Überall standen Gedenksteine, viele davon frisch geschmückt. Für die Clans, für Familien.
Besonders bewegend: der Gedenkstein der Frasers.
Niemand sprach laut.Culloden macht demütig. Und sehr, sehr nachdenklich.
Culloden - ein Ort, der leise war – und dennoch lauter sprach als alles andere auf dieser Reise.
Whisky, Highlands & „Wie alt seid ihr eigentlich alle?!“
Schottland ohne Whisky – geht nicht.
Also: Besuch in einer Brennerei. Große Augen, viele Fachfragen … nur nicht von mir.
Ich blieb bei meiner Tradition: vorsichtig nippen, tapfer würgen, das Glas diskret an Dagmar weiterreichen.
Dann: Inverness! Ein kleiner Stadtbummel, ein Fotostopp am Loch Ness (Spoiler: kein Nessie) – und plötzlich waren wir mitten in den Highlands. Und wow …
Diese Landschaft!
Weite Täler, grüne Hügel, schroffe Felsen – so klischeehaft schön, dass man eigentlich dauernd stehen bleiben möchte.
Blöd nur, dass wir alles durch die Busfenster betrachteten.
Berg links! Hügel rechts! Stopp – ach nee, doch nicht.
So sehr die Natur auch beeindruckte – mein Fernweh-Herz sehnte sich nach mehr Zeit draußen, mehr Stille, mehr echte Luft.
Apropos echt:
Zeit für ein ehrliches Wort über meine Mitreisenden.
Die meisten waren nett.
Einige waren … sagen wir mal: „engagiert“.
Diese grenzenlose Begeisterung für die Serie, die Schauspieler – das war für mich manchmal ein bisschen viel.
Bei manchen fühlte ich mich wie in einem Teenager-Internat für hormonell aufgeladene Serienjunkies.
Zwei Fragen gingen mir regelmäßig durch den Kopf:
Aber hey – jeder Urlaub hat seine Herausforderungen. Bei manchen sind’s Skorpione. Bei anderen halt Fangirls mit Fan-T-Shirts und Fraser-Glitzeraugen.
Zwischen Nebelschwaden und Fangirl-Gekicher lernte ich: Outlander ist für viele Religion – und Schottland die Kathedrale
Ein Schwert zum Dessert & das Ende der Reise
In Glasgow hätten wir eigentlich noch ein paar Drehorte anschauen sollen – aber Time Management war wohl nicht die größte Stärke unserer Reiseleitung. Also fiel Glasgow aus. Schade. Ich hätte es gern mit eigenen Augen gesehen und nicht nur als Foto im Busprospekt.
Zum Abschluss gab’s noch ein besonderes Abendessen – mit Gast.
Ein Schotte in voller Montur (Kilt inklusive) erzählte uns mit viel Stolz über die Waffen der Highlander. Er hatte angeblich sogar eine kleine Nebenrolle in der Serie gespielt.
Das Schwert, das er dabei hatte, war echt. Und schwer.
Nach seinem Vortrag durfte jeder es einmal in die Hand nehmen. Ich sag mal so: Ich habe mehr Respekt vor Jamie, seit ich weiß, wie sich so ein Ding anfühlt.
Und dann war sie auch schon vorbei, die Outlander-Reise.
Wir hatten viel gesehen, viel gelacht – und ich hatte gelernt, dass ich Busrundreisen überlebe, aber sicher nicht liebe.
Fazit: Schottland hat mich berührt. Die Landschaft, die Luft, die Weite – alles ein bisschen dramatisch, alles ein bisschen wild.
Ich sag mal so: Die Highlands waren magisch. Der Bus war … eher wie ein verhexter Kürbis nach Mitternacht