Ich wollte Ruhe – und fand die Wüste.
Kein WLAN, kein Lärm, keine Termine. Stattdessen Kamele, Sand unter dem Schlafsack und ein Himmel, der nachts Geschichten erzählt.
Mein erster Wüstentrip war kein Urlaub. Er war ein Neuanfang.
Und er hat mir gezeigt: Manchmal reicht es, wenn dich morgens ein Kamel anschaut – um zu wissen, dass du richtig bist.
Tunesien – endlich in der Wüste
Von Facebook in den Wüstensand - wie alles begann
Endlich konnte ich meinen Entschluss, die Wüste richtig zu erleben. Keine Touristenhorden, keine lärmenden Jeeps, nur Kamele und ein paar Beduinen.
Über Facebook hatte ich Mounir kennengelernt. Er ist Beduine und organisiert genau solche Touren, die ich mir vorstellte. Ein weiterer Vorteil, er war mit einer Deutschen verheiratet gewesen, hatte ein paar Jahre in Deutschland gelebt und sprach deutsch. Von meinen Schulfranzösisch ist nämlich fast nichts mehr übriggeblieben und arabisch? Noch weniger.
Eine weitere Frau würde mitkommen, auch eine Angelika. Wir trafen uns zum ersten Mal am Flughafen Düsseldorf und haben uns gleich gut verstanden.
Auf Djerba holte uns Mounir am Flughafen ab und los ging`s Richtung Süden, wo die Sahara schon auf uns wartete.
Von Djerba gibt es zwei Möglichkeiten aufs Festland zu gelangen – die Fähre und den Römerdamm. Der Römerdamm ist es ziemlicher Umweg, geht aber meistens schneller, da vor der Fähre meistens eine lange Wartezeit. Heute hatten wir Glück und nur ein paar Autos vor uns.
Noch ein schnelles Abendessen unterwegs und in Douz Mounirs Bruder Bechir abholen, der uns zum ersten Lagerplatz in der Wüste fuhr. Dort wurden wir bereits von Ameur und Mohamed erwartet. Zwei Beduinen, die uns mit ihren Kamelen begleiten würde. In ein paar Tagen würde Vollmond sein, sodass es noch hell genug war, die Kamele zu erkennen.
Noch ein gemeinsamer Tee am Feuer, schnell die Zelte für Angie und mich aufgebaut und ab in den Schlafsack. Den Schlafsack hatten wir mitgebracht, eine Matte und Decken bekamen wir noch dazu. Trotz meiner Aufregung habe ich in dieser Nacht herrlich geschlafen.
Wenn das Abenteuer mit einem Tee am Feuer und Kamelblick beginnt, kann es nur gut werden.
Kamele, Chaos und frisch gebackenes Brot
Als ich am Morgen den Kopf aus dem Zelt streckte, sah ich als erstes ein widerkäuendes Kamel. Ein herrlicher Anblick. Das Tier strahlte so viel Ruhe aus, als könnte nichts es erschüttern. Seitdem bin ich der festen Überzeugung, wenn man morgens als erstes ein widerkäuendes Kamel sieht, kann es nur ein guter Tag werden.
Ich krabbelte aus meinem Zelt und ging zu den Männern, die schon am Feuer saßen.
Mohamed kümmerte sich gerade um das Brot, das jeden Morgen frisch gebacken wurde. Und zwar über den noch heißen Feuerresten im Sand. Ich war zuerst skeptisch, aber das Brot wird so heftig abgeklopft, dass nicht ein Sandkorn mehr dran ist. Und ich habe noch kein besseres Brot gegessen, vor allem wenn es noch warm ist.
Die Beduinen tunken das Brot einfach in Olivenöl. Ich habe mich das nie getraut, weil ich mir nicht sicher war, wie meine Verdauung darauf reagieren würde. Und Experimente wollte ich in der Wüste lieber keine machen. Ich bediente mich lieber an Butter, Marmelade und Nutella.
Die Männer hatten bereits gefrühstückt und schon angefangen, die 5 Kamele zu beladen. Es wirkte immer ziemlich chaotisch, wenn das ganze Gepäck rumlag, aber schnell war alles an seinem Platz und wir konnten loslaufen.
Laufen? Ich war irritiert. Mounir hatte mir immer gesagt, wir würden auf den Kamelen reiten. Ich konnte auch kein Kamel zum Reiten sehen. Alle Kamele waren bepackt. Auf meine Frage erklärte mir Mounir, dass wir erstmal alle laufen würden. Später würden wir dann eine Pause machen und danach könnten wir reiten. Er zeigte auf zwei Kamele, die hauptsächlich mit Matten und Decken beladen waren. Auf ihnen würden wir reiten.
Inzwischen weiß ich beides zu schätzen. Ich liebe es einfach, auf einem Kamel zu reiten. Aber zu Fuß kann man sich natürlich besser mit den anderen unterhalten.
Wenn das erste Lächeln des Tages von einem Kamel kommt, kann der Rest nur Sahne sein.
Zwischen Feuerstellen und Fremdschämen
Wir besuchten als erstes eine Beduinenfamilie. Es war Mohameds Familie, die immer noch in der Wüste lebt. Wir könnten uns überall umsehen und auch fotografieren, teilte uns Mounir mit. Ich hatte trotzdem Hemmungen. Ich wollte auch nicht, dass jemand in mein Haus kommt und alles fotografiert.
Plötzlich kam Mounir zu mir und wies mich darauf hin, dass ich in der Feuerstelle stehe. Wie peinlich! Ich stand quasi im Herd. Das Holz war nicht mehr sehr heiß, aber eine leicht verschmorte Sohle an einem Schuh, erinnert heute noch daran.
Nach ca. 2 Stunden machten wir dann wirklich eine Pause. Wir bekamen jede eine sehr leckere Orange. Und dann ging es endlich aufs Kamel. Ich war inzwischen schon einige Male auf einem Kamel geritten und das Aufsteigen war nie ein Problem. Aber durch das Gepäck waren die Kamele jetzt doch einiges höher als sonst, auch im Liegen. Ich bin jetzt ja nicht so klein, aber so lang waren meine Beine jetzt doch nicht. Wie ein nasser Sack wurde noch ein bisschen geschoben, bis ich dann endlich auf dem Kamel saß.
Jetzt konnte ich die Welt von oben betrachten. Diese unendliche Weite – unbeschreiblich.
Und auch wenn ich die Feuerstelle beinahe niedergetrampelt hätte – meine Begeisterung blieb unversehrt.
Rußige Töpfe, Ziegenfleisch & eine ziemlich coole Hündin
Am frühen Nachmittag erreichten wir unseren neuen Lagerplatz. Jetzt schon? Wir gehen heute Nachmittag nicht mehr weiter? So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Angie und ich halfen die Kamele abzuladen und bauten dann gleich unsere Zelte auf. Ameur machte sich sofort an die Zubereitung unseres Mittagessens. Bei jeder Wüstentour freue ich mich, wenn Ameur kocht. Ich habe noch nie schlecht gegessen, aber Ameurs Essen mag ich am liebsten. Er würzt viel mit Kurkuma, was ich zuhause auch mache. Egal was es gibt, mein Essen ist immer gelb.
Was das Essen betrifft, war ich auch etwas skeptisch. Ich bin ein bisschen mäkelig, was Gemüse betrifft und hatte irgendwie die Vorstellung von Reis und Bohnen. Aber meine Sorge war völlig unbegründet. Mein erstes Essen in der Wüste waren Nudeln und Ziegenfleisch. Als Fleisch gab es immer Ziege, weil sich das besser hält als Lamm. Schmeckt fast genauso gut.
Und jetzt den ganzen Nachmittag hier nur rumsitzen? Hört sich ein bisschen langweilig an, war es aber nicht. Chillen, nette Gespräche, Feuerholz suchen, ein Spaziergang auf die nächste Düne, die Zeit verging wie im Flug und schon bald wehte wieder der verführerische Duft des Abendessens über unseren Lagerplatz.
An diesem Nachmittag kam Bechir noch einmal mit dem Auto vorbei und brachte ein paar Vorräte und Rischa vorbei. Rischa war die Hündin von einem Cousin, die uns begleiten würde. Sie war eine dieser kleineren Windhunde. Ich fand diese dürren Hunde ja nicht besonders schön, aber Risch war eine ganz Liebe. Und wenn sie in den nächsten Tagen immer wieder in einem Affentempo neben unserer Karawane hin und wieder zurück rannte, sah das schon ziemlich cool aus.
Unser erster richtiger Abend in der Wüste. Ich liebe die Abende, wenn alle gemeinsam am Feuer sitzen. Wenn Fremde zu einer Gemeinschaft zusammenwuchsen. Ich bedauerte lediglich immer, dass die Unterhaltung mit den Beduinen etwas schwierig ist. Sie sprechen nur arabisch und französisch, meistens ein paar Worte deutsch und englisch, verstehen aber sehr viel. Und zur Not hatten wir ja noch Mounir als Übersetzer.
Es gab viele Skarabäus Käfer, harmlos und ich fand sie auch recht hübsch. Die Männer packten sie immer und warfen sie hinter sich. Manchmal beendete einer der Käfer den unfreiwilligen Flug auf dem Rücken und strampelte verzweifelt mit den Beinen. Ich drehte sie dann immer um.
Nach dem Abendessen holte Mohamed seine Trommel raus und los ging die Abendunterhaltung. Zum Klang der Trommel sangen uns die Männer ihre Lieder vor. Manchmal gab es einen einfachen Refrain, wo Angie und ich mitsingen konnten. Oft erklärte Mounir, wovon das Lied handelte. Später tanzten wir zu den Trommeln ums Feuer.
So einfach, so ursprünglich, so wunderschön.
So liefen die Abende immer ab. Schöne Gespräche, Musik und in größeren Gruppen kamen manchmal noch ein paar lustige Spiele dazu.
Wenn Kurkumaduft auf Trommeln trifft und sogar Windhunde chillen – dann ist Wüste.
Sterne, Stiche und ein ziemlich hübscher Skorpion
Inzwischen hatte alles schon etwas mehr Routine. Zelte abbauen, frühstücken, Kamele beladen. Angie und ich brachten das Gepäck zu den Kamelen, das Beladen überließen wir lieber den Beduinen.
An diesem Abend passierte leider etwas weniger Schönes. Ameur wurde von einem Skorpion gestochen. Aber die Jungs sind gut vorbereitet. Mit einer Spritze wurde zuerst Blut und Gift aus dem Einstich gesogen. Dann legte Mounir einen sehr flachen, rechteckigen Stein auf die Wunde und verband das Ganze. Der Stein sog weiter Gift heraus. Ameur war an diesem Abend sehr ruhig. So ein Skorpionstich soll wohl sehr schmerzhaft sein.
Trotzdem beschloss ich, in dieser Nacht im freien unter diesem unbeschreiblichen Sternenhimmel zu schlafen. Außerdem hatte ich keinen Bock mehr, das Zelt aufzubauen. Und ich schlafe generell gerne im Freien. Zuhause lebe ich in einer Dachgeschosswohnung. Wenn es im Sommer zu heiß wird, wandere ich immer auf den Balkon aus.
Es war eine herrliche Nacht. Schön warm ein Schlafsack und Decken eingepackt, der Wind wehte mir leicht um die Nase und über mir der funkelnde Sternenhimmel.
Morgens rief mich Mounir zu meinem Schlafplatz, hob die Matte hoch und zeigte mir einen Skorpion, der darunter lag. Ich dachte immer alle Skorpione seien schwarz, der hier wirkte eher durchsichtig. Eigentlich ein hübsches Tier. Aber der Gedanke, dass er vielleicht die ganze Nacht unter mir gelegen hatte, ließ mich doch schlucken. Mounir nahm dann einen dünnen Stock und rammte den Skorpion in den Sand. Da tat er mir schon wieder leid.
Ameur ging es zum Glück auch wieder gut. Natürlich würde ich mich jetzt nie absichtlich von einem Skorpion stechen lassen. Aber irgendwas ist da in mir, das gern wüsste, wie es ist.
An diesem Tag schlugen wir unserem Lagerplatz an einem Brunnen auf, was uns die Möglichkeit zum Waschen gab. Mir reichte es, die Hand ins Wasser zu stecken. Es kam direkt aus der Erde und war eiskalt. Und ich hasse kaltes Wasser aus vollem Herzen. Die tägliche Hygiene mit Feuchttüchern funktionierte auch ganz gut.
Mounir lief mit uns auf eine hohe Düne, von der wir eine fantastische Aussicht hatten. Vor uns lag eine große Ebene, auf der wir mit Hilfe von Mounirs Fernglas die Kamele sehen konnten.
Ihre Vorderbeine wurden nachdem wir unseren Lagerplatz erreicht hatten, immer zusammengebunden, sodass sie nur kleine Schritte gehen konnten. So konnten sie frei umherstreifen, entfernten sich aber nicht zu weit. Am Abend wurden sie wieder eingesammelt. Jetzt konnten wir sehen, wie weit sie doch kamen mit ihren kleinen Schritten.
Ich kam für die Stille – und bekam dazu noch ein Date mit einem Skorpion.
Sonnenfeuer und Sandtherapie
So verlief jeder Tag. Und ich, das Stadtkind, das den Trubel und den Lärm der Großstadt liebte, genoss es. Diese Ruhe, die unendlich Weite, ich hatte schon lange mein Herz im Wüstensand verloren.
Es gibt nichts besser, um wieder runter zu kommen, sich neu zu erden und den Kopf frei zu bekommen, als die Wüste. Ich sage immer die Wüste repariert einen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass ein, zwei Wochen Wüste Menschen mit Burn Out oder ähnlichem besser helfen würde, als eine wochenlange Reha.
Weiter Highlights eines jeden Tages waren die Sonnenauf- und -untergänge. Der Himmel schien in einem Farbenmeer zu explodieren. Ich habe schon viele fantastische Sonnenauf- und -untergänge bewundert. Aber sowas hatte ich zuvor noch nicht gesehen.
Die Wüste heilt nicht alles – aber sie erinnert dich daran, was du wirklich brauchst.
Bisswunden, Abschied und ein Herz voller Sand
An unserem letzten Tag in der Wüste passierte es. Ich genoss meinen letzten Kamelritt für die nächste Zeit, als mich das Kamel, das hinter meinem Reittier lief in den Oberarm biss. Was für ein feiger, hinterhältiger Angriff. Eine Woche schillerte mein Arm in allen Blau- und Grüntönen. Meiner Liebe zu Kamelen hat das allerdings keinen Abbruch getan.
Und dann waren unsere Wüstentage tatsächlich vorbei. Wie mussten Abschied von Ameur, Mohamed und den Beduinen nehmen. Und natürlich von der Wüste. Ich verspürte einen dicken Kloss im Hals und es war nicht der Sand, der meine Augen brennen ließ.
Mounir setzte uns in Douz, seiner Heimatstadt ab. Wir würden ihn in zwei Stunden wieder Treffen. Douz ist eine Kleinstadt, aber in diesem Moment waren die vielen Autos und Menschen ein Kulturschock. Ich war noch nicht bereit, wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Beim folgenden Shoppingbummel hob sich meine Stimmung allerdings ein bisschen. Als Mounir zurückkam, aßen wir noch zu Mittag und danach machten wir uns auf den Weg nach Djerba.
Unterwegs besichtigten wir noch eine Höhlenwohnung der Berber, die teilweise heute noch bewohnt werden.
Im Hotel auf Djerba führte der erste Weg natürlich unter die Dusche – herrlich.
Am Abend noch ein letztes gemeinsames Abendessen und am nächsten Morgen brachte Mounir uns zum Flughafen. Innerlich schrie alles in mir, nicht in das Flugzeug zu steigen.
Ich würde die Wüste immer im Herzen tragen und ich würde so schnell wie möglich wieder zurückkommen.
Ich kam zurück – aber ein Teil von mir blieb bei den Kamelen und dem Klang der Trommel.